Das Tagebuch von Kiki

Durch das hohe Gras streifend, sah ich schon von weitem, dass vor dem Lager der Raiders gerade die Hölle los war. Ich hielt mich nah am Waldrand und in Deckung - als Scout der Mutanten war ich nicht gerade auf Kampf aus. Beim Näherkommen wurden die Dinge klarer. Offenbar ein Angriff von Ghoulen...arme Kerle die auf der Suche nach Ressourcen ein paar Mal zu oft in die Strahlungszonen rein sind, dann legt sich irgendwann ein Hebel um, und sie werden zu Kreaturen aus einem lebenden Alptraum. Hungernd nach Blut und Fleisch und Tod.

Entsprechend aufgewühlt war das Lager der Raider, und unter dem Ansturm der Ghoule kämpften alle Seite an Seite, ohne nach Fraktionen zu fragen. Justice neben Mutanten. Die meisten Angreifer lagen auch schon am Boden. Aber in der Mitte, ein hoch aufragender Koloss aus verformten und schleimüberzogenen Muskeln, der mähte mit einer langen Klingenwaffe und seinen klauenbewehrten Pranken die Angreifer nieder und schien ihre Waffen kaum zu spüren. Um den Hals des Biestes baumelte ein giftig glühendes Stück Uran.

Ich hatte Angst, aber irgendwas trieb mich doch immer näher heran. So kam ich ungesehen bis auf Schrittdistanz, aber dann nahm mich der Koloss wahr und wirbelte herum. Seine Waffe schwang nur wenige Zentimeter vor meinem Bauch vorbei, und bei dem Anblick der schartigen und blutüberzogenen Klinge wurde mir schlecht. Was zur Hölle tat ich hier...ich war bis auf ein Messer unbewaffnet.

Was ich aber auch sah: bei der raschen Wendung war das Uranstück am Hals des Ghoules verrutscht und hing jetzt seitlich herab. Vielleicht konnte ich einen toten Winkel finden.

Mein Messer umklammernd, wich ich einen kurzen Moment zurück, kam seitlich, und versuchte dann, den glühenden Anhänger frei zu schneiden. Im nächsten Moment durchzuckte ein schneidender Schmerz meinen Oberschenkel: der Ghoul hatte mich erwischt. Ich fiel zu Boden, aber ich hielt das Uran in den Händen. Die Schnur hatte rechtzeitig nachgegeben. Mein Bein tat höllisch weh. Ich schleppte mich ein paar Schritte davon und hinter mit brach der mutierte Koloss jetzt zusammen.

Mir war schon klar, dieses Stück Uran ist gefährlich, aber es war auch wertvoll..ich sollte es irgendwie zu Hope bringen.

Hope, die Anführerin der Mutanten.

Hope wusste immer, was man tun sollte.

Ich verbarg den glimmenden Anhänger in meinem Rucksack...was sollte ich sonst tun. Als ich es dann endlich bis zu Hope schaffte mit dem verdammten Ding, spürte sich mein Rücken schon merkwürdig warm an, und taub.

Hope ließ mich ins Lazarettzelt bringen und kam dann zu mir, um meinen Fund anzusehen. Ein Leuchten lag über ihrem Gesicht, sie war wunderschön in ihrem weißen Kleid. Hope murmelte einige Worte, ein dankbares Gebet. Dann nahm sie einen abgestoßenen, halb zerfallenen Koffer hervor, und als sie ihn öffnete, prallte ich kurz zurück: Es lag ein menschliches Herz darin, mit schwarzem, schon gestockten Blut überzogen.

Hope nahm vorsichtig das Herz heraus, dann nahm sie das Uran von mir; hielt beides in den Händen; presste beides unter frenetischem Murmeln aneinander, immer fester.

Sie sah wunderschön aus, wie eine Madonnengemälde irgendwie, aber gleichzeitig bekam ich langsam eine Gänsehaut, und es lag nicht nur an der starken radioaktiven Strahlung. Die Strahlung. Es begann weh zu tun, mein Blick tat weh. Wir sollten vielleicht wirklich langsam...

Einen beunruhigenden Moment lang kam mir der Gedanke, ob es vielleicht sein konnte, dass Hope wahnsinnig war, aber ich schob diesen Gedanken entschieden in den hintersten Winkel meines Bewusstseins. Und im nächsten Moment fing die Haut auf Hopes Armen an aufzubrechen wie feine Risse an einer alten Porzellanpuppe, und Blut quoll dazwischen hervor. Aber ich wusste, wir hatten keinen Grund uns zu Sorgen, weil ich die Engel sehen konnte die uns unter ihren leuchtenden Flügeln verbargen.